Montag, 20. Oktober 2014

Das Leben unter der Kennedybrücke

Jeder, der gerne an der Außenalster spazieren geht, ist bestimmt an den Zelten unter der Kennedy Brücke vorbeigegangen. Man sieht sie auch gut wenn man mit der Fähre fährt oder segelt.

Eines Tages hat mich beim Spaziergang ein Bewohner dieser Zelte angesprochen und wollte mir eine kurze Führung anbieten. Ich hatte an dem Tag Zeit und Interesse! Normalerweise rede ich selten (oder eigentlich nie) mit den Obdachlosen, aber dieser war irgendwie so sympathisch, dass ich nicht absagen konnte.
Am Ende der Führung hab ich ihn gefragt, ob ich über ihn auf meinem Blog erzählen kann! Er war von der Idee total begeistert!



Baba (so nennen ihn alle) heißt in Wirklichkeit Stefan Hartung und ist 52 Jahre alt. Er sieht viel älter aus, aber es kein Wunder, wenn man einen so langen Bart trägt, 2 Schachtel Zigaretten raucht und 15 Bier am Tag Tag trinkt!
Er lebt seit November 2013 auf der Straße. Wie ist das passiert? Das war meine erste Frage... Ich dachte,in Deutschland muss keiner auf der Straße landen, Sozialhilfen gibt es doch genug... 
Baba hat 6 Jahre im Gefängnis verbracht und als er rauskam, hatte er keinen Ausweis und keine Papiere. Er ist zum Jobcenter und Wohnungsamt gegangen, aber keiner wollte mit ihm reden, weil er nichts dabei hatte.

 


Dann kam meine nächste Frage: wie kam so ein netter Typ ins Gefängnis? Was musste er alles gemacht? Stefan hatte eine kriminelle Vergangenheit... Schon als Jugendlicher klaute er in Geschäften, hatte Probleme mit Alkohol, ist von zu Hause weggerannt und die ersten Leute, die ihn bei der Polizei angezeigt haben, waren seine Eltern. Er hat mit ihnen und mit der Schwester kaum Kontakt, sie leben wahrscheinlich immer noch in Frankfurt am Main. 

Nach der Schule ist Baba nach Berlin gegangen, wo er die Ausbildung zum Automechaniker gemacht hat. Er wurde öfters angezeigt, wegen Einbrüchen, geklauten Autos und Heroin. Kaum zu glauben... Da er die Geldstrafen nicht gezahlt hat, ist er immer wieder ins Gefängnis gekommen. Nach 4 Jahren Gefängnis wurde er von seiner Freundin verlassen, mit der er insgesamt 7 Jahre zusammen war. 
Er wurde im 2010 entlassen und im 2011 ist er in der Notunterkunft Picass in Hamburg gelandet, natürlich ohne gültige Papiere. Ein paar Monate hat er auf der Schanze gelebt. 



Seit November letzten Jahres lebt er an der Alster und dort gefällt ihm am besten. Er hat alles, was er braucht: ein warmes Zelt, Essen, Freunde... Duschen kann er am Hauptbahnhof. Es ist natürlich illegal im Zelt zu wohnen aber Polizei drückt die Augen zu. Die Obdachlosen machen die Ecke regelmäßig sauber. Zur Zeit wohnen da 8 Leute. Baba macht immer den Casting. Ein no go für ihn sind Drogen. Man darf im Zelt alles machen, was man will, aber es dürfen auf dem Gelände keine Spritzen liegen. Bis jetzt war das das einzige Problem mit den Mitbewohnern, aber normalerweise sind alle ganz nett und benehmen sich gut.


Stefan ist sehr optimistisch und genießt sein Leben. Jetzt braucht er gar keine Angst zu haben, das Schlimmste hat er schon hinter sich. Auch wenn er krank wird, muss er sich keine Sorgen machen. Die Sozialdienst zahlt seine Krankenversicherung. Dieses Jahr musste er für 2 Wochen ins Krankenhaus, wegen einer Entzündung in der Hand. 

Baba weiß nicht, was das Leben noch bringt. Er will wieder normal leben, arbeiten gehen, eine Wohnung suchen. 
Und es gibt nur drei Personen (seiner Meinung nach), auf die er sich verlassen kann: er selbst, sein Schatten und sein Spiegelbild.




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